Eigentlich war geplant, dass das Bürgergeld die Staatskasse im Jahr 2024 weniger stark belastet als noch 2023. Doch die neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen, dass von einer Senkung der Ausgaben keine Rede ist.
Vor einem Jahr hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, dass diejenigen, die wiederholt ein Jobangebot ablehnen, künftig für eine gewisse Zeit kein Bürgergeld mehr erhalten würden. Damit sollten nicht nur Arbeitsanreize gesetzt, sondern auch die Ausgaben für das Bürgergeld gesenkt werden.
Trotz dieser Ankündigung stagnieren die Ausgaben für das Bürgergeld weiterhin auf hohem Niveau. Im September 2024, für den erstmals genaue Zahlen vorliegen, betrugen die Ausgaben für die Bedarfsgemeinschaften (z. B. Familien, die vom Bürgergeld abhängen) 3,9 Milliarden Euro – genauso hoch wie im August und Januar 2024. Auch der Durchschnittsbetrag von 1.300 Euro pro Bedarfsgemeinschaft blieb unverändert. Es wird erwartet, dass die Ausgaben im Jahr 2024 sogar ein Rekordniveau erreicht haben, welches die im Haushaltsplan vorgesehenen 26,5 Milliarden Euro übersteigen könnte. Dies liegt unter anderem an den stark gestiegenen Kosten für Wohnen und Heizen.
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Hohe Verwaltungskosten und zukünftige Belastungen
Auch die Verwaltungskosten sind gestiegen, und es gibt keine Anzeichen für eine Entspannung der Ausgabensteigerungen. 2025 kommen zudem höhere Pflege- und Krankenkassenbeiträge hinzu, was die Situation weiter verschärfen wird.
Kritik und politische Reaktionen
Die hohen Kosten des Bürgergeldes dürften auch im bevorstehenden Wahlkampf ein zentrales Thema werden. Während die SPD das Bürgergeld als ein Prestigeprojekt zur Überwindung des Hartz-IV-Traumas positioniert hat, werfen die Opposition und zunehmend auch die FDP der Regierung vor, dass die Ausgaben explodiert sind. Die CDU kündigte an, das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abzuschaffen, falls sie bei der nächsten Wahl gewinnen sollte. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte, dass arbeitsfähige Menschen, die Sozialleistungen beziehen, spätestens nach sechs Monaten einen Job annehmen oder gemeinnützige Arbeit leisten sollten.
Forderung nach einer Prüfung der Regelungen
Die anhaltend hohen Ausgaben haben auch andere Ursachen als nur die mangelnde Bereitschaft zur Arbeit. Seit der Flüchtlingskrise sind über eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, die sofort Anspruch auf Bürgergeld haben. Diese Regelung wird nun von der Union ebenfalls hinterfragt. Über die Hälfte der Bürgergeldempfänger stammt aus Deutschland, während der Rest aus dem Ausland kommt, was teilweise auch mit der Flüchtlingskrise von 2015/2016 zusammenhängt.
Konjunkturelle Schwäche und Arbeitsmarktprobleme
Ein weiterer Faktor für die hohe Zahl an Leistungsbeziehern ist die konjunkturelle Schwäche. Besonders Menschen, die seit längerem arbeitslos sind, haben es schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auch die Zahl der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit auf Bürgergeld angewiesen sind, ist hoch. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet mehr als 800.000 Erwerbstätige, die das Bürgergeld zum Aufstocken benötigen, häufig aufgrund von Teilzeitbeschäftigung oder gesundheitlichen Problemen.
Bürgergeld als “Verbindlichkeitsproblem”
Arbeitsmarktexperten führen die stagnierende Zahl der Empfänger nicht nur auf die wirtschaftliche Lage zurück, sondern auch auf das Bürgergeld selbst. Der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kritisierte, dass es bei der „Einforderung der Verbindlichkeit“ nachgelassen wurde. Damit ist gemeint, dass die Jobcenter nicht konsequent genug darauf bestehen, dass Bürgergeldempfänger die in ihrer Kooperationsvereinbarung festgelegten Pflichten einhalten und nachweisen.
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