Die deutsche Industrie steht vor einem Wendepunkt. Mit einem Strompreis von 936 Euro pro Megawattstunde erreicht Deutschland einen beispiellosen Höchststand. Die Konsequenzen sind verheerend – Produktion wird gestoppt, Existenzen stehen auf dem Spiel.
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„Blutrote Zahlen“: Unternehmen kämpfen ums Überleben
Die Siempelkamp Gießerei in Krefeld reduzierte ihre Produktion um 30 Prozent. „Die Preisspitze hat uns hart getroffen. Wir mussten unsere Produktion um 30 Prozent runterfahren, eine Schicht kürzen und die Leute nach Hause schicken“, erklärt Geschäftsführer Dirk Howe.
Ähnlich betroffen ist die Anke GmbH in Essen. Geschäftsführer Tobias Wesselow berichtete: „Die derzeitigen Strompreise sind unerträglich hoch und haben teilweise auf die Stunde hin gesehen den Faktor 10 im Vergleich zu normalen Preisen erreicht. Solche Tage sind für uns finanziell ‘blutrot’.“
Sogar das Elektrostahlwerk Feralpi in Sachsen stoppte die Produktion komplett. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, bringt die Lage auf den Punkt: „Unsere Unternehmen können sich keine Schönwetter-Produktion leisten.“
Energiepolitik unter Beschuss
Die Ursache für die Eskalation liegt in der Kombination aus „Dunkelflaute“ – Zeiten ohne Sonne und Wind – und einer politisch vorangetriebenen Reduktion fossiler und nuklearer Energie. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seien diese Preisausschläge unvermeidbar. „Dafür gibt es aber auch Wochen mit günstigen Preisen“, beschwichtigt er. Für betroffene Unternehmen bleibt diese Aussage jedoch ein schwacher Trost.
Die Siempelkamp Gießerei fordert schon lange die Einführung eines Industriestrompreises, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. „Der Strompreis ist extrem angestiegen und bleibt auch durch dieses Strompreispaket unangetastet. Damit zementiert die Bundesregierung einen viel zu hohen Preis, der die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland eliminiert“, betont Dirk Howe.
Internationale Kritik: „Das System funktioniert nicht“
Auch aus dem Ausland kommt heftige Kritik. Die schwedische Energieministerin Ebba Busch bezeichnet das deutsche Energiesystem als „nicht in Ordnung“. Ihre Worte spiegeln die wachsende Frustration wider: „Hohe Preise sind eine direkte Folge der Abschaltung von Kernkraftwerken.“
Unterstützung erhält sie von deutschen Wirtschaftsexperten, die vor einer weiteren Verschärfung der Versorgungslage warnen. Laut dem RWE-Chef Markus Krebber müsse Deutschland dringend Backup-Systeme schaffen, um kritische Zeiten zu bewältigen. Doch politische Pläne für Reservekraftwerke scheiterten am Widerstand innerhalb der Ampel-Koalition.
Was jetzt passieren muss
Die Lage ist ernst. Industrievertreter fordern dringend wettbewerbsfähige Strompreise und eine verlässliche Energieversorgung. Ohne politische Gegenmaßnahmen drohen weitere Produktionsstopps und ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.
Ein Industriestrompreis könnte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen langfristig sichern. Die Bundesregierung steht unter Druck, hier schnell zu handeln, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
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