Tittling im Ausnahmezustand
Die Automobilbranche in Deutschland steht weiterhin unter Druck. Ein neuer Tiefpunkt: Der Automobilzulieferer Heyco hat an seinem Standort in Tittling im Landkreis Passau rund 120 Arbeitsplätze abgebaut. Am Dienstag wurden die Aufhebungsverträge im Betrieb verteilt. Die Anspannung unter den Mitarbeitern ist greifbar.
picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
“Das ist der Anfang vom Ende”
Robert Scherer, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Passau, spricht von einer alarmierenden Entwicklung: „Wir haben alles versucht, aber die Rahmenbedingungen lassen keine Rettung zu.“ Besonders bitter ist, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht nur ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern auch ihre Perspektive in einer Region, die ohnehin schon wirtschaftlich zu kämpfen hat.
Wirtschaftlicher Druck und politische Fehler
Heyco ist ein Familienunternehmen mit Hauptsitz in Tittling, das weltweit an sieben Standorten über 1.250 Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen ist auf die Herstellung von Kunststoff- und Schmiedeteilen für die Automobilindustrie spezialisiert. Der Stellenabbau in Tittling wird vor dem Hintergrund des allgemeinen Trends in der deutschen Automobilzuliefererbranche getroffen, der durch steigende Energie- und Produktionskosten sowie zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck geprägt ist.
Die Herausforderungen sind nicht allein technologischer Natur. Experten kritisieren, dass die politischen Rahmenbedingungen für produzierende Unternehmen in Deutschland zunehmend unattraktiv werden. „Das Klima für Investitionen ist miserabel, und Unternehmen wie Heyco stehen am Ende der Kette,“ so ein Brancheninsider.
Was bleibt, ist Unsicherheit
Die betroffenen Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft. Viele von ihnen sind seit Jahrzehnten im Betrieb tätig und besitzen Fachwissen, das in der Region kaum noch gefragt ist. Die Gewerkschaft fordert nun schnelle Maßnahmen, um Alternativen für die Beschäftigten zu schaffen. Doch konkrete Lösungen sind bislang nicht in Sicht.
Regionale und globale Auswirkungen
Der Stellenabbau bei Heyco verdeutlicht die Schieflage in der Automobilzulieferer-Branche. Der Konkurrenzdruck durch günstigere Produktionsstandorte im Ausland ist enorm. Gleichzeitig hat der Umstieg auf Elektromobilität bislang keine ausreichenden Perspektiven geschaffen, um traditionelle Arbeitsplätze zu sichern. Dieser Trend ist kein Einzelfall: So hat der Automobilzulieferer Schaeffler kürzlich den Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa, davon 2.800 in Deutschland, angekündigt.
Handlungsbedarf für Politik und Wirtschaft
Die Gewerkschaft und Branchenvertreter fordern eine klare Strategie zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. „Es braucht endlich ein Konzept, das den Strukturwandel sozialverträglich gestaltet und den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt,“ appelliert Scherer.
Das Beispiel Heyco zeigt eindringlich: Ohne schnelle und entschlossene Maßnahmen drohen weiteren Traditionsunternehmen in Deutschland das Aus – mit verheerenden Folgen für Arbeitnehmer und die gesamte Wirtschaft.
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