Erlangen erlebt eine Haushaltskrise, die ihresgleichen sucht. Der massive Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen hat die Stadt ins finanzielle Abseits gedrängt. Obwohl der Stadtrat mit großer Mehrheit einen Haushalt verabschiedet hat, steht fest: Die Regierung von Mittelfranken wird diesen nicht genehmigen. Was bedeutet das für die Bürger und die Zukunft der Stadt?
Qelle DPA – Siemens Erlangen und die Erlanger Innenstadt
Wunschliste statt Realität
„Wir haben einen Haushalt beschlossen, wo wir unsere Projekte und Investitionen beschreiben“, erklärt Stadtkämmerer Konrad Beugel (CSU). Doch die notwendige Kreditaufnahme wird wohl nicht genehmigt. Damit steht Erlangen unter vorläufiger Haushaltsführung: Jede Kreditaufnahme muss von der Regierung in Ansbach abgesegnet werden. Beugel vergleicht die Lage mit der Schule: „Man muss jetzt nachsitzen und den Lehrer überzeugen.“
Ursprünglich wurden für das Jahr 2024 Gewerbesteuereinnahmen von 220 Millionen Euro prognostiziert. Doch aktuelle Schätzungen gehen von lediglich 66 Millionen Euro aus – ein Einbruch von über 70 %. Dieser drastische Rückgang ist auf unerwartet hohe Steuerrückzahlungen an Unternehmen sowie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurückführbar. Besonders betroffen scheint Siemens, einer der größten Gewerbesteuerzahler in Erlangen, dessen Beitrag erheblich eingebrochen ist. Da die Gewerbesteuer etwa 40 % der städtischen Einnahmen ausmacht, haben solche Schwankungen gravierende Auswirkungen.
Einschnitte auf allen Ebenen
Die finanziellen Engpässe treffen die Stadt an empfindlichen Stellen. Bereits begonnene Projekte wie ein Feuerwehrhaus werden fertiggestellt, doch neue Vorhaben bleiben auf Eis. Zusätzlich sorgt eine Wiederbesetzungssperre für steigenden Arbeitsdruck in den Amtsstuben. Für die Bürger bedeutet das: längere Wartezeiten, höhere Gebühren und weniger kulturelle Angebote. Selbst renommierte Veranstaltungen wie das Poetenfest müssen mit reduzierten Budgets auskommen.
Die Stadt hat eine Haushaltssperre für Investitionen, Sachmittel und Personal verhängt. Laufende Baumaßnahmen, insbesondere im Bereich Bildung und Kinderbetreuung, werden fortgeführt, aber Freizeit- und Kulturangebote stehen unter großem Druck. Zusätzlich wird ein Haushaltskonsolidierungskonzept entwickelt, um finanzielle Stabilität langfristig wiederherzustellen.
Schulden steigen dramatisch
Die geplante Neuverschuldung von 42,5 Millionen Euro würde die Pro-Kopf-Verschuldung der 120.000-Einwohner-Stadt um rund zwei Drittel auf 1.140 Euro steigen lassen. Doch ob diese Kredite überhaupt genehmigt werden, bleibt ungewiss. Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) versucht zu beruhigen: „Vor betriebsbedingten Kündigungen müssen sich die Mitarbeiter nicht fürchten.“ Dennoch zeigt die Krise deutlich, wie stark Kommunen von wenigen großen Gewerbesteuerzahlern abhängig sind.
Ein regionales Problem
Erlangen ist kein Einzelfall. Auch Forchheim leidet unter Steuerrückerstattungen großer Unternehmen. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) sieht die diversifizierte Wirtschaftsstruktur seiner Stadt als Vorteil: „Viele mittelständische Familienunternehmen machen uns unabhängiger von einzelnen Ausfällen.“
Gefahr für den Mittelstand
Die Krise in Erlangen zeigt exemplarisch, wie fragile lokale Haushalte durch plötzliche Einbrüche bei Gewerbesteuereinnahmen werden können. Ohne strukturelle Reformen und eine breitere Steuerbasis droht nicht nur Erlangen, sondern auch anderen Kommunen der Stillstand.
Lösungen wie ein erhöhter kommunaler Finanzausgleich oder eine nachhaltigere Steuerpolitik sind notwendiger denn je. Die Politik steht in der Verantwortung, den Kommunen wieder Handlungsspielraum zu geben – bevor es zu spät ist.
Das dürfte überall nur der Anfang sein!