Polen beschleunigt den Kohleausstieg und will bereits 2035 auf Kohleverstromung verzichten – ganze drei Jahre früher als Deutschland. Doch hinter dem ambitionierten Ziel von Ministerpräsident Donald Tusk stecken sowohl große Fortschritte als auch erhebliche Herausforderungen.
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Kohleanteil sinkt, Erneuerbare legen zu
Noch vor wenigen Jahren war Polen stark von Kohle abhängig: 2015 stammten über 80 Prozent des Stroms aus Kohle. Heute sieht die Lage anders aus. Bis 2024 fiel der Kohleanteil am Strommix auf 57,1 Prozent, während Erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik auf 29,6 Prozent zulegten. Besonders die Windenergie liefert mit 24,5 Terawattstunden (TWh) einen erheblichen Beitrag. Solarmodule, die durch das EU-Programm „Mein Strom“ in über 1,3 Millionen Haushalten installiert wurden, erzeugten 2024 etwa 12,5 TWh – ein massiver Anstieg gegenüber den 0,3 TWh aus dem Jahr 2018.
Die ehrgeizigen Pläne der Tusk-Regierung
Donald Tusk verfolgt ambitionierte Ziele: Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen um 75 Prozent gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energien auf 46 Prozent gesteigert werden – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 21 Prozent aus dem Jahr 2022. Gleichzeitig plant Polen den Bau seines ersten Atomkraftwerks, um die Versorgungssicherheit langfristig zu stärken.
Herausforderungen auf dem Weg zur Energiewende
Trotz der beeindruckenden Fortschritte fehlt es bislang an einem klaren und detaillierten Plan für den Kohleausstieg. „Die Energiewende findet zurzeit ohne Steuermann statt“, kritisiert Joanna Pandera vom Thinktank Energieforum. Während Unternehmer und Bürger den Wandel vorantreiben, hinkt der Staat bei der notwendigen Netz- und Marktorganisation hinterher. Zusätzlich könnte die Schließung von Kohlegruben soziale Unruhen auslösen, weshalb die Regierung hohe Subventionen plant, um den Übergang abzufedern.
Ein Signal aus Oberschlesien
Besonders symbolträchtig ist der Beitritt der Kohleregion Oberschlesien zur internationalen Powering Past Coal Alliance. Die Region, einst das Herz der polnischen Kohle- und Stahlindustrie, zeigt, dass der Wandel möglich ist. „Saubere Luft ist das, was uns heute am meisten am Herzen liegt“, sagte Kattowitz’ Bürgermeister Marcin Krupa und betonte die Dringlichkeit des Ausstiegs angesichts des Klimawandels.
Vorbild für Deutschland?
Während Polen den Kohleausstieg auf 2035 vorzieht, bleibt Deutschland bei 2038. Polen zeigt, dass ein schnellerer Wandel möglich ist – wenn auch mit Risiken und Hindernissen. Dennoch könnte das Nachbarland als Vorbild dienen: für ambitionierte Klimaziele und den politischen Willen, den Übergang zu gestalten.
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