Die Schweizerische Nationalbank (SNB) könnte schon bald das Kapitel positiver Zinsen beenden. Eine Entscheidung über eine mögliche Senkung des Leitzinses steht unmittelbar bevor – und die Spekulationen überschlagen sich. Während die meisten Ökonomen mit einer Reduktion um 0,25 Prozentpunkte auf 0,75 % rechnen, hält eine kleine, aber wachstumsorientierte Minderheit sogar eine drastischere Senkung um 0,5 Prozentpunkte für denkbar.
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Am 12. Dezember 2024 senkte die SNB tatsächlich den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 0,5 %. Zuvor hatte sie bereits im September 2024 den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1 % reduziert. Diese Zinssenkungen reflektieren die Bemühungen der SNB, die Wirtschaft zu stützen und den starken Franken einzudämmen.
Franken-Stärke: Ein zweischneidiges Schwert
Der starke Schweizer Franken, der gegenüber dem Euro kürzlich den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt erreicht hat, sorgt für gespaltene Lager. Einerseits drückt er die Importpreise und somit die Inflation auf lediglich 1,1 %. Andererseits belastet er die Exportwirtschaft erheblich, was die Konjunktur zunehmend schwächt. „Das Wachstum in Europa ist schwach, und ein Handelskrieg droht“, erklärt Nadia Gharbi von Banque Pictet. „Negativzinsen sind nicht auszuschließen.“
Wirtschaft am Scheideweg
Sollte die SNB den Kurs der Lockerung beibehalten, könnte der Nullzins noch im Jahr 2025 Realität werden. Einige Experten wie Goldman Sachs und Barclays prognostizieren sogar eine schrittweise Rückkehr zu Negativzinsen. Dies würde nicht nur die Kreditkosten senken, sondern auch die Nachfrage nach dem Franken bremsen. Doch der Handlungsspielraum ist begrenzt: „Die SNB hat weniger Spielraum als andere Notenbanken, was den Druck auf den Franken erhöht“, so UBS-Ökonom Maxime Botteron.
Die SNB betonte, dass sie weiterhin bereit sei, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren, um den Franken zu schwächen und die Preisstabilität zu gewährleisten.
Geopolitische Spannungen verstärken die Dynamik
In Zeiten globaler Unsicherheit bleibt die Schweiz ein sicherer Hafen für Investoren. Die Kapitalzuflüsse treiben den Franken weiter nach oben und bringen die SNB in eine Zwickmühle. Zusätzliche Devisenmarktinterventionen könnten notwendig werden, jedoch birgt dies das Risiko internationaler Kritik, insbesondere seitens der USA unter der neuen Regierung von Donald Trump.
Die Folgen für die Schweiz und die Welt
Eine anhaltende Franken-Stärke könnte langfristig die Schweizer Wirtschaft schwächen. Gleichzeitig würde eine Senkung der Zinsen internationale Kapitalflüsse beeinflussen und möglicherweise Spannungen mit anderen Währungsräumen verschärfen. Doch die SNB steht vor einer klaren Entscheidung: Entweder entschlossener handeln oder riskieren, dass die heimische Wirtschaft den Preis für globale Unsicherheiten zahlt.
Ein Kurswechsel scheint unausweichlich. Die Frage bleibt: Wie tief wird die SNB gehen, und welchen Preis wird die Schweiz dafür zahlen?
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