Ein gewaltiger Schritt in Richtung Marktbeherrschung: Temu, die aufstrebende chinesische Online-Marktplattform, kündigt an, 80 Prozent ihrer europäischen Bestellungen künftig aus lokalen Lagern zu versenden. Dieser strategische Schritt könnte die Logistik in der E-Commerce-Welt revolutionieren – und der Wettbewerb sieht sich einer neuen Herausforderung gegenüber.
picture alliance / Hans Lucas | Jean-Marc Barrère
Was ist Temu?
Temu ist eine chinesische E-Commerce-App, die Käufer mit Verkäufern verbindet und eine Vielzahl von Produkten zu wettbewerbsfähigen Preisen anbietet. Die App gehört zu PDD Holdings, dem Mutterunternehmen von Pinduoduo, einer bekannten chinesischen Social-Commerce-Plattform. Temu wurde 2022 ins Leben gerufen und richtet sich hauptsächlich an den internationalen Markt, insbesondere an die USA. Die App hat aufgrund ihrer günstigen Angebote in verschiedenen Kategorien wie Elektronik, Mode, Haushaltswaren und Kosmetik viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Was Temu von anderen Plattformen unterscheidet, ist das Geschäftsmodell, das Online-Shopping mit sozialen Aspekten kombiniert. Nutzer können Angebote und Produkte mit anderen teilen, um Belohnungen und Rabatte zu erhalten. Temu folgt einem ähnlichen Prinzip wie Plattformen wie AliExpress, bei denen Produkte typischerweise von chinesischen Herstellern bezogen und international versandt werden.
Lokale Lager als Gamechanger
Temu hat 2023 den europäischen Markt betreten und sich seitdem rasant entwickelt. Bis Dezember 2024 begann das Unternehmen, eigene Lagerhäuser in Europa zu nutzen. Diese befinden sich mittlerweile in Schlüsselregionen wie Deutschland, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Italien – und auch Österreich wurde jüngst hinzugefügt. Das Resultat: Bestellungen, die früher Wochen brauchten, um zu den Kunden zu gelangen, werden nun in wenigen Tagen zugestellt.
Bessere Sichtbarkeit durch Werbeflächen
Neben dieser logistischen Neuerung testet Temu derzeit auch die Einführung von “Retail Media” – eine Werbeform, bei der Verkäufer für mehr Sichtbarkeit auf der Plattform bezahlen können. Diese Praxis ist im E-Commerce bereits weit verbreitet, aber Temu prüft die Möglichkeit, sie bald auch auf dem europäischen Markt auszurollen. Der Schritt könnte die Konkurrenz zu Plattformen wie Amazon weiter anheizen.
Aufregung wegen rechtlicher Bedenken
Doch Temu steht auch unter Beobachtung: Erst kürzlich stellten europäische Marktbehörden fest, dass eine Vielzahl von Produkten auf Plattformen wie Temu nicht den europäischen Vorschriften entsprechen. In Anbetracht des angekündigten Wachstums von Temu in Europa dürfte dieses Problem nicht so schnell verschwinden und könnte zu neuen regulatorischen Herausforderungen führen.
Die Zukunft von Temu in Europa
Mit dem Fokus auf lokale Logistik und neuen Werbemöglichkeiten für Verkäufer stellt sich die Frage, wie Temu weiterhin die europäische E-Commerce-Landschaft beeinflussen wird. Werden die Herausforderungen hinsichtlich der Compliance und der Marktregulierung das Wachstum bremsen, oder wird das Unternehmen in der Lage sein, diese Hürden zu überwinden und sich als dominierende Kraft auf dem europäischen Markt zu etablieren? Die kommenden Monate dürften entscheidend sein.
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