Volkswagen (VW) sorgt für Aufsehen: Im Konzern wird offenbar ernsthaft diskutiert, in Deutschland ein Joint Venture mit einem chinesischen Hersteller zu gründen. Die Idee? Chinesische Elektroautos könnten in einem VW-Werk gebaut werden, um die aktuell schwache Auslastung zu verbessern. Was wie eine pragmatische Lösung klingt, birgt Sprengstoff – ökonomisch, politisch und kulturell.
picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
Kopieren die Chinesen jetzt unsere Werke?
Schon vor wenigen Tagen berichtete Reuters, dass chinesische Hersteller ein Auge auf deutsche VW-Standorte wie Dresden oder Osnabrück geworfen haben sollen. Zunächst stand der Verdacht einer Übernahme im Raum – ein Szenario, das angesichts der Symbolkraft von VW für die deutsche Industrie nahezu undenkbar ist. Die vermeintliche Lösung: VW bleibt an Bord und bildet ein Joint Venture, bei dem chinesische Modelle in Deutschland gebaut werden.
Die Befürworter im VW-Konzern sehen Vorteile: Zusätzliche Schichten könnten eingeführt werden, und das Know-how der Chinesen im Bereich der Elektroautos könnte VW in Europa helfen. Gleichzeitig würden die chinesischen Hersteller die hohen EU-Sonderzölle umgehen. Doch ist das wirklich eine Win-win-Situation – oder ein weiterer Schritt zur schleichenden Übernahme?
Deutschland lernt jetzt von China?
Dieses Modell erinnert ironischerweise an den Beginn von VWs Engagement in China im Jahr 1983. Damals brachte VW das Fachwissen für den Autobau, die Chinesen stellten Arbeitskräfte und Produktionsstätten. Heute scheinen sich die Rollen umzukehren. Der Vorschlag, das VW-Werk in Emden für die gemeinsame Produktion zu nutzen, wurde von chinesischer Seite allerdings bereits skeptisch betrachtet. Grund: Die Kostenstruktur in Deutschland ist schlichtweg zu hoch.
Sollte ein solches Joint Venture tatsächlich zustande kommen, wäre das ein drastischer Bruch mit VWs Tradition und Identität. Für viele wäre es eine Bankrotterklärung: Statt Innovation und Effizienz zu forcieren, setzt man auf die Partnerschaft mit einem ausländischen Rivalen, um die eigenen Probleme zu lösen.
Radikale Ideen – oder der Anfang vom Ende?
Die Diskussion um das Joint Venture zeigt, wie tief VW in der Krise steckt. Die notwendigen Sparmaßnahmen sind enorm: Bis zu 35.000 Stellen sollen abgebaut werden, und das Investitionsbudget wurde drastisch gekürzt. Um die Renditeziele zu erreichen, bleibt wenig Spielraum für Fehler. Das “Manager Magazin” spricht bereits von einer “Verzweiflungstat” – radikale Gedankenspiele, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären.
Auch technologisch sucht VW verzweifelt nach Lösungen. Die Möglichkeit, sogenannte Range Extender (kleine Verbrennungsmotoren als Generatoren für Elektroautos) einzusetzen, wird aktuell geprüft. Diese Technik, in China äußerst beliebt, könnte helfen, Kunden in der Übergangszeit zur Elektromobilität zu gewinnen. Doch selbst hier scheinen intern Einigungen schwer zu erreichen.
Die Gefahr für den Industriestandort Deutschland
Ob Joint Venture oder andere Maßnahmen – eines wird klar: VW steht am Scheideweg. Jede Entscheidung, die den Konzern kurzfristig entlasten könnte, hat langfristige Konsequenzen für den Industriestandort Deutschland. Wird VW zu einem Symbol für die Abhängigkeit von ausländischen Partnern? Oder gelingt es, den Turnaround zu schaffen und die eigene Innovationskraft wieder in den Vordergrund zu stellen?
Klar ist: Die kommenden Monate werden darüber entscheiden, ob VW weiterhin ein Flaggschiff der deutschen Wirtschaft bleibt – oder nur noch eine Hülse dessen, was es einst war.
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