Deutschland ist im Bann des Bio-Trends. Im Jahr 2024 haben die Deutschen Bio-Lebensmittel und -Getränke im Wert von 17 Milliarden Euro gekauft – ein Zuwachs von 5,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch trotz steigender Nachfrage stagniert die Zahl der Bio-Bauern. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat tiefere Ursachen. Und diese führen zu einem bemerkenswerten Trend: Immer mehr Bio-Produkte müssen importiert werden.
Ein Schild des Öko-Landbauverbandes “Bioland – Ökologischer Landbau”
Nachhaltigkeit in Gefahr: Bürokratie und EU-Vorgaben bremsen die heimische Landwirtschaft
Eine der größten Hürden für die Entwicklung des Bio-Sektors in Deutschland sind die immer strengeren EU-Vorgaben. Ab dem 1. Januar 2024 gilt in der EU eine allgemeine Weidepflicht für Bio-Tiere, die vor allem für kleinere Bauern mit isolierten Höfen zum Problem wird. „Viele Bio-Bauern werden in den kommenden Wochen aufhören und wieder zur konventionellen Produktion zurückkehren“, warnt der Bio-Bauer Uwe Neukamm. In Süddeutschland könnte jedes vierte Bio-Bauernhof verschwinden – und das, obwohl die Nachfrage nach Bio-Produkten ungebrochen hoch ist.
Ein unaufhaltsames Wachstum: Bio-Produkte erobern den Markt
Trotz dieser Schwierigkeiten wächst der Markt für Bio-Produkte in Deutschland rasant. Laut Marktanalysten ist die steigende Nachfrage nicht nur durch höhere Preise, sondern vor allem durch das zunehmende Interesse der Verbraucher bedingt. Im Jahr 2024 stieg der Absatz von Bio-Produkten um 37 Prozent seit 2019. Besonders gefragt waren Mehl, Speiseöl, Joghurt, Käse und pflanzliche Getränke. Selbst bei Discountern und Drogeriemärkten, die traditionell nicht für ihr Bio-Sortiment bekannt sind, sind die Verkaufszahlen explodiert.
Die paradoxe Situation: Mehr Nachfrage, weniger Angebot
Dennoch wächst die Bio-Landwirtschaft in Deutschland nicht im gleichen Tempo. Im Jahr 2024 stieg die Fläche, die biologisch bewirtschaftet wird, nur um 0,4 Prozent. Gerade einmal 11,4 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland sind biozertifiziert. „Wir müssen das Wachstum der Bio-Landwirtschaft beschleunigen“, fordert Tina Andres, Vorsitzende des Bundesverbands der Deutschen Bio-Branche (BÖLW). Wenn Deutschland weiterhin auf Importe angewiesen ist, verschenke man Chancen für die heimische Landwirtschaft und die Umwelt.
Die dunklen Seiten des Bio-Marktes: Herkunft und Zertifizierung
Doch auch auf dem Bio-Markt gibt es Herausforderungen. In Ländern wie China und Osteuropa, wo Bio-Produkte ebenfalls beliebt sind, gibt es immer wieder Zweifel an der tatsächlichen Bio-Qualität der Produkte. Ein weiteres Problem: Die Institutionen, die Bio-Bauern zertifizieren, werden von den Bauern selbst bezahlt. „Bio-Ethische Standards sind nicht überall gleich entwickelt“, so Neukamm. Während in Deutschland und vielen anderen Ländern die Zertifizierung funktioniert, gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle von mangelnder Kontrolle, insbesondere in Ländern wie Bulgarien und Rumänien.
Chancen und Risiken für die Zukunft der Bio-Wirtschaft
Der Bio-Sektor wächst nicht nur im Bereich des Verkaufs, sondern bietet auch Arbeitsplätze für rund 380.000 Menschen in Deutschland – das entspricht der Größe der Automobilindustrie. Doch diese Entwicklung wird durch bürokratische Hürden und immer neue Vorschriften gebremst. Wenn die Politik nicht schnell und pragmatisch reagiert, droht Deutschland, seine führende Position im internationalen Bio-Markt zu verlieren.
Handlungsbedarf: Lösungen für eine nachhaltige Bio-Zukunft
Es ist klar, dass der Bio-Sektor vor einer Reihe von Herausforderungen steht, die es zu überwinden gilt. Um die heimische Produktion zu stärken, müssen schnell Lösungen gefunden werden – sowohl in Bezug auf die EU-Vorgaben als auch auf die Unterstützung von Landwirten und der Infrastruktur. Dabei gilt es, die Balance zwischen ethischen Standards und wirtschaftlichen Realitäten zu wahren. Der Bio-Markt hat großes Potenzial, aber nur wenn die Politik es ermöglicht, dass auch die heimischen Bio-Produzenten von diesem Wachstum profitieren.
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