Die Angst vor steigenden Preisen durch neue US-Zölle auf europäische Exporte ist offenbar unbegründet. Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Rats und Chef der italienischen Zentralbank, sieht kaum Auswirkungen auf die Inflation in der Eurozone. Doch während die Schlagzeilen auf Handelskonflikte blicken, droht die eigentliche Gefahr von einer ganz anderen Seite.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank in der EZB in Frankfurt
Inflation? Das wahre Problem liegt woanders
Panetta betont, dass der größere Risikofaktor für die Preisentwicklung nicht in neuen Handelszöllen, sondern in den Energiepreisen liegt. Besonders die steigenden Gaspreise und deren Volatilität könnten die Inflation nachhaltig beeinflussen. „Das Hauptproblem bleibt der Energiesektor“, warnt Panetta.
Zwar könnte eine Abschwächung des Euro durch höhere US-Zölle zunächst einen leichten Inflationseffekt auslösen, doch dieser würde laut Panetta durch die globale wirtschaftliche Abkühlung und Chinas Umlenkung von Exporten nach Europa ausgeglichen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass der Nettoeffekt der Zölle auf die Inflation begrenzt, wenn nicht sogar leicht negativ ist“, erklärt er.
EZB reagiert mit Zinssenkung
Die Europäische Zentralbank hat als Reaktion auf die schwächelnde Konjunktur im Euroraum zum vierten Mal in diesem Jahr die Leitzinsen gesenkt. Der Einlagenzins wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent gesenkt, um Kredite erschwinglicher zu machen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Gleichzeitig bleibt die Inflation mit 2,3 Prozent unter Kontrolle.
Volkswirte erwarten weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr, insbesondere angesichts drohender Handelskonflikte mit den USA. Die EZB hofft, mit ihrer Geldpolitik die wirtschaftlichen Herausforderungen abzufedern und mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0 Prozent zu stabilisieren.
Wirtschaftswachstum in Gefahr – Deutschland und Italien besonders betroffen
Viel dramatischer als der Einfluss auf die Inflation sind die Wachstumsrisiken. Sollte es tatsächlich zu einer vollen Umsetzung der angekündigten US-Zölle und europäischen Gegenmaßnahmen kommen, würde das globale Wirtschaftswachstum um 1,5 Prozentpunkte einbrechen. Europa käme zwar glimpflicher davon, doch mit einem Minus von 0,5 Prozentpunkten stünde insbesondere die exportstarke deutsche und italienische Wirtschaft vor schweren Herausforderungen.
„Deutschland und Italien wären am stärksten betroffen, weil sie enge Handelsbeziehungen mit den USA haben“, so Panetta. Damit droht eine zusätzliche Belastung für zwei Volkswirtschaften, die ohnehin mit strukturellen Problemen und schwachem Wachstum kämpfen.
Panetta: Pauschale Handelszölle bringen mehr Schaden als Nutzen
Panetta warnte zudem vor den negativen Folgen pauschaler Handelszölle, wie sie von den USA unter Donald Trump geplant sind. Solche Maßnahmen seien oft ineffektiv und könnten die Weltwirtschaft in rivalisierende Blöcke spalten.
„Diese Art von Protektionismus kann die wirtschaftliche Diversifizierung verringern, die Produktion unvorhersehbarer machen und die Inflation schwanken lassen“, erklärt Panetta. Zudem könnten Unternehmen Möglichkeiten finden, solche Zölle zu umgehen, sodass der gewünschte Schutz für die heimischen Wirtschaften ausbleibt.
Fazit: Die Politik muss jetzt handeln!
Während die direkten Inflationsrisiken durch US-Zölle gering erscheinen, sind die mittel- und langfristigen Folgen für das Wirtschaftswachstum erheblich. Europas Wirtschaft steht am Scheideweg – eine strategische Antwort der Politik auf die drohende Abkühlung ist jetzt dringend erforderlich. Ob durch gezielte Investitionen, Stärkung der Binnenwirtschaft oder diplomatische Verhandlungen – Abwarten ist keine Option mehr.
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