Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), hat eindringlich vor einem drastischen Anstieg der Krankenkassenbeiträge gewarnt, falls die Politik nicht gegensteuert. “Das wird in diesem Jahrzehnt noch passieren, wenn der Gesetzgeber nicht handelt,” erklärte Baas in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er prognostiziert, dass die Beiträge mittelfristig auf 20 Prozent des Bruttolohns steigen könnten.
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Reformen scheitern an politischer Bequemlichkeit
Baas zeigte sich skeptisch, dass es grundlegende Reformen im Gesundheitssystem geben wird. “Die Politik will das nicht ändern. Notwendige Umverteilungen oder Reformen sind eben alles andere als bequem,” kritisierte er. Dies betreffe insbesondere strukturelle Probleme wie die steigenden Kosten im Krankenhauswesen und bei Medikamenten, die bislang “praktisch ungebremst” wachsen.
Derzeit liegt der allgemeine Krankenkassenbeitragssatz bei 14,6 Prozent des Bruttolohns. Hinzu kommt ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag von 2,91 Prozent, was zu einem Gesamtsatz von rund 17,5 Prozent führt. Bereits jetzt haben viele der 94 gesetzlichen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn erheblich erhöht.
Zusatzbeiträge: Tendenz steigend
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, geht ebenfalls davon aus, dass die Beiträge in den kommenden Jahren weiter steigen müssen. Sie verwies darauf, dass allein die geplante Krankenhausreform, deren Finanzierung zu einem großen Teil bei den Kassen liegt, zu weiteren Belastungen führen wird. “Schon heute ist klar, dass es 2026 weitere Erhöhungen geben muss,” sagte Pfeiffer zum Jahreswechsel.
Verfassungsklage gegen Kostenverlagerung
Pfeiffer kündigte zudem an, rechtliche Schritte gegen die Krankenhausreform zu prüfen. “Wir halten diese Regelung insgesamt für verfassungswidrig,” erklärte sie. Es sei unzumutbar, dass die Politik zwar die Ausgaben steigerte, jedoch die Stabilität der Beitragssätze vernachlässigte. In den vergangenen Jahren hätten Gesundheitsminister oft auf neue Gesetze gesetzt, die die Kosten weiter in die Höhe trieben, während gleichzeitig die Rücklagen der Krankenkassen geplündert wurden. Mehr als die Hälfte der Kassen hat nun Rücklagen unterhalb der gesetzlichen Mindesthöhe.
Milliardendefizite trotz Beitragssteigerungen
Trotz der Beitragsanhebungen verzeichnete die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2024 ein Defizit von 5,5 Milliarden Euro. “Die Einnahmen reichen nicht aus, um die stetig wachsenden Ausgaben zu decken,” betonte Pfeiffer. Insbesondere die ungebremsten Kostensteigerungen bei Medikamenten und im Krankenhaussektor belasten die Finanzen, ohne dass die Versorgung der Patient:innen verbessert wird.
Fazit: Ohne Reformen droht der Kollaps
Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass ohne grundlegende Reformen die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems gefährdet ist. Sowohl Baas als auch Pfeiffer fordern von der Politik, endlich nachhaltige Lösungen zu entwickeln, um die Beitragszahler:innen zu entlasten und die langfristige Funktionsfähigkeit des Systems zu sichern. Andernfalls drohen Beiträge, die bald ein Fünftel des Bruttolohns erreichen und Millionen von Versicherten zusätzlich belasten werden
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