Der neue französische Premierminister François Bayrou hat in einer flammenden Rede vor der Assemblée nationale die Neuausrichtung der Pensionsreform angekündigt. Inmitten wachsender wirtschaftlicher Unsicherheiten und einer Schuldenkrise, die das Land in Atem hält, wagt Bayrou einen neuen Anlauf, um die sozialen Spannungen zu entschärfen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.
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“Ohne Tabus, ohne Grenzen”
In einer ungewohnt kompromissbereiten Ansprache versprach Bayrou, die umstrittene Pensionsreform neu zu verhandeln. Dabei stellte er klar: „Ich habe entschieden, das Thema Pensionen erneut mit allen sozialen Partnern auf den Tisch zu bringen – ohne Tabus und ohne vorgefertigte Grenzen.“ Bereits im Herbst sollen konkrete Ergebnisse vorliegen, die in die nächste Finanzplanung für die Sozialversicherung einfließen.
Doch der Premierminister steht unter Druck. Nachdem sein Vorgänger Michel Barnier an einer fehlenden Mehrheit im Parlament scheiterte, könnte auch Bayrous politisches Schicksal am Erfolg dieser Reform hängen.
Die Last der Schulden
Bayrou machte keinen Hehl daraus, wie kritisch die wirtschaftliche Lage ist: „Unsere übermäßigen Schulden sind ein Damoklesschwert über unserem Land und unserem sozialen Modell.“ Mit einer Defizitquote von 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist Frankreich weit von der anvisierten Stabilität entfernt. Die Europäische Kommission und internationale Investoren beobachten die Situation mit wachsender Besorgnis.
Das Rentensystem ist dabei ein zentraler Streitpunkt. Ohne Reformen drohen bis 2030 Defizite von über 13,5 Milliarden Euro. Bereits die von Präsident Macron im Jahr 2023 durchgesetzte Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre hatte landesweite Proteste ausgelöst und das Vertrauen der Bevölkerung massiv erschüttert.
Neue Hoffnung oder politisches Risiko?
Die jetzt vorgeschlagene Verhandlungsoffensive könnte ein Wendepunkt sein – oder Bayrou zum Verhängnis werden. Gewerkschaften und Opposition kritisierten die bisherigen Pläne scharf. Olivier Faure, Chef der Sozialistischen Partei, warf der Regierung „Arroganz“ vor, während der linke Abgeordnete François Ruffin die Reform als „demokratischen Raubüberfall“ bezeichnete.
Bayrou zeigte sich dennoch optimistisch: „Wenn die Delegation einen ausgewogenen und gerechteren Vorschlag erarbeitet, werden wir ihn umsetzen.“ Sollte jedoch keine Einigung erzielt werden, würde der bestehende Plan aus dem Jahr 2023 greifen.
Frankreich am Scheideweg
Die kommenden Monate sind entscheidend. Scheitert Bayrou, droht ein weiteres politisches Chaos – inklusive eines möglichen Misstrauensvotums. Doch gelingt ihm der Balanceakt zwischen den Forderungen der Bevölkerung und den wirtschaftlichen Zwängen, könnte er als derjenige in die Geschichte eingehen, der Frankreich aus der Krise führte.
Die Uhr tickt. Frankreichs Schuldenberg und die wachsende Unzufriedenheit lassen keinen Spielraum für Fehler. Die Nation erwartet Antworten – und vor allem: Taten.
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