Die deutsche Windenergiebranche steht vor einem historischen Wendepunkt. Mit einer Rekordzahl von Genehmigungen und politischem Rückenwind könnten die Ausbauziele der Bundesregierung bis 2030 tatsächlich erreicht werden. Doch der Optimismus birgt Risiken – die Frage bleibt: Kann die Dynamik aufrechterhalten werden?
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Rekordjahr 2024: Aufbruchsstimmung in der Windkraft
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland Genehmigungen für 2405 Windkraftprojekte mit einer Gesamtleistung von 14 Gigawatt erteilt. Davon erhielten 1890 Anlagen mit elf Gigawatt den Zuschlag für den Bau. Diese beeindruckenden Zahlen – die besten seit Jahren – markieren das Ende eines jahrelangen Genehmigungsstaus. Branchenkenner sprechen von einem Paradigmenwechsel. „Die neuen Regelungen und der Abbau von Bürokratie zeigen endlich Wirkung“, erklärt Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE).
Die Zahlen sprechen für sich: Für 2025 wird mit der Fertigstellung von Windrädern mit einer Leistung von bis zu 5,3 Gigawatt gerechnet – ein neuer Meilenstein. Gleichzeitig blieb der tatsächliche Ausbau 2024 mit einer Inbetriebnahme von Anlagen mit einer Gesamtleistung von nur 2,5 Gigawatt hinter den Erwartungen zurück. Lieferprobleme und regionale Unterschiede, insbesondere in Bayern, trugen zu dieser Diskrepanz bei.
Politische Reformen als Motor der Energiewende
Die Erfolge basieren auf weitreichenden Reformen der Ampel-Regierung. Die gesetzliche Einstufung der Windkraft als „überragendes öffentliches Interesse“ erleichtert Genehmigungen und sorgt für eine spürbare Entschlackung von Prozessen. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Herstellerverbands VDMA Power Systems, sieht die Branche auf dem richtigen Weg: „Diese Dynamik darf nicht abreißen.“
Doch der Druck auf die nächste Bundesregierung steigt. Die Sorge, dass nach der nächsten Bundestagswahl der politische Rückenwind nachlassen könnte, ist allgegenwärtig. Heidebroek warnt: „Es darf keine Abbruchkante entstehen. Jede Verzögerung würde die Zielerreichung massiv gefährden.“
Marktboom und internationale Konkurrenz
Die Produktionszahlen europäischer Hersteller wie Nordex schießen in die Höhe. Nordex verzeichnete im vierten Quartal 2024 einen deutlichen Anstieg der Bestellungen, wobei fast 1.500 Anlagen geordert wurden. Rund 80 Prozent der Aufträge stammen aus Europa. Dennoch bahnen sich Herausforderungen an: Chinesische Anbieter versuchen verstärkt, den Markt zu erobern. Rendschmidt fordert faire Wettbewerbsbedingungen und mahnt zur Wachsamkeit: „Cybersicherheit muss bei Windkraftanlagen oberste Priorität haben.“
Akzeptanz und Herausforderungen vor Ort
Der gesellschaftliche Rückenwind für die Windkraft hat seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zugenommen. Die Abhängigkeit von fossilen Energien aus unsicheren Regionen hat bei vielen Menschen ein Umdenken bewirkt. Widerstand von Bürgerinitiativen vor Ort nimmt ab, wie Heidebroek betont: „Die Akzeptanz wächst spürbar. Doch wir müssen weiter aufklären und den Dialog mit den Gemeinden suchen.“
Deutschlands Weg zur Energieunabhängigkeit
Die Windenergie ist und bleibt der zentrale Pfeiler der deutschen Energiewende. Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, muss der Schwung der letzten Jahre beibehalten werden. Die Politik steht in der Verantwortung, langfristige Planungssicherheit zu gewährleisten und die Konkurrenz aus dem Ausland in geregelte Bahnen zu lenken. Denn eines ist klar: Der Erfolg der Windenergie entscheidet über die Zukunft der deutschen Stromversorgung.
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