Die deutsche Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) prognostiziert für 2025 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,1 Prozent. Damit droht Deutschland erstmals seit der Wiedervereinigung drei Jahre in Folge in der Rezession zu verharren. Im Vergleich dazu wird für die Eurozone ein Wachstum von 1,1 Prozent und für die Weltwirtschaft von 3,2 Prozent erwartet. „Das Wachstum der Industrie hat einen strukturellen Bruch erlitten“, erklärte BDI-Präsident Peter Leibinger und betonte die Dramatik der Lage.
picture alliance/dpa | Marijan Murat
Strukturelle Schwächen als Hauptursache
Die Krise ist laut Leibinger nicht allein auf die Pandemie oder den Ukraine-Krieg zurückführbar. Bereits seit 2018 zeigen sich gravierende strukturelle Schwächen, die durch politische Untätigkeit weiter verschärft wurden. Er führt dies auf Versäumnisse im Bereich der Infrastruktur, Bürokratie und Energiepolitik zurück. „Die Politik hat es versäumt, rechtzeitig zu handeln“, kritisierte der BDI-Präsident. Ein Grundsatzpapier des Verbandes fordert unter anderem die Senkung der Unternehmenssteuerlast auf maximal 25 Prozent, die Abschaffung des Solidaritszuschlags sowie ein umfangreiches Investitionsprogramm von 315 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte.
Wettbewerbsfähigkeit im freien Fall
Deutschland hat sich in vielen Bereichen vom internationalen Spitzenfeld entfernt. Hohe Energiekosten, langsame Planungsverfahren und eine digitale Infrastruktur, die hinterherhinkt, belasten Unternehmen und Investoren gleichermaßen. Der BDI fordert beschleunigte Genehmigungsverfahren, massive Investitionen in erneuerbare Energien sowie den Ausbau von Glasfasernetzen und 5G-Infrastruktur. Besonders der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, droht unter diesen Rahmenbedingungen in seiner Substanz geschädigt zu werden.
Appell an die Politik
Leibinger betont die Dringlichkeit der Situation: „Es braucht endlich eine klare industriepolitische Agenda, die ökologischen Fortschritt, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und technologische Innovationskraft vereint.“ Ohne tiefgreifende Reformen droht Deutschland in eine Phase der Deindustrialisierung abzurutschen. Der BDI fordert außerdem eine Senkung der Strompreise für Unternehmen sowie staatliche Unterstützung bei der Transformation hin zu klimaneutralen Produktionsverfahren.
Führungsrolle in Europa gefordert
Auf europäischer Ebene plädiert der BDI für eine stärkere Rolle Deutschlands. Die EU müsse ihre strategische Unabhängigkeit sichern und sich gegenüber internationalen Wettbewerbern wie den USA oder China behaupten. „Deutschland muss wieder selbstbewusst agieren und die Zukunft Europas aktiv mitgestalten“, so Leibinger. Dies beinhalte auch die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes für erneuerbare Energien und eine koordinierte Innovationspolitik.
Die Uhr tickt
Ohne schnelle Reformen und konkrete Maßnahmen droht Deutschlands Wirtschaft weiter ins Abseits zu geraten. Die Kombination aus strukturellen Schwächen, hohen Energiekosten und fehlender Innovationskraft könnte langfristig nicht nur den deutschen Mittelstand, sondern auch Europas größte Volkswirtschaft nachhaltig schädigen. Jetzt ist Handeln gefragt – bevor es endgültig zu spät ist.
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